Kommentare (6)
Während man in Deutschland
Tätigkeiten mit "sein" verzeitwortet, gilt dort für Untätigkeiten das "haben".
Lösung:
In Österreich sind sitzen und stehen eindeutig Tätigkeiten.
In Ö steht "ich habe gesessen" für: "ich habe im Gefängnis eingesessen" und "ich habe gestanden" für: "Ich habe vor Gericht ein Geständnis abgelegt".
JoDo 11.09.2012
Die Frage der "Aktionsarten" betrifft nicht nur Österreich!
Die Linie der Perfektbildung mit "sein" oder "haben" bei bestimmten Verben trennt den ganzen Norden vom Süden des deutschen Sprachgebietes und die Trennlinie geht etwa durch die Mitte. Das ist also kein Unterschied zwischen "Österreichisch" und "Deutsch" und betrifft auch nicht nur das gesamte Bairische, das in unserer Vorstellung ja nicht so richtig "typisch deutsch" ist (Kreisky soll ja gesagt haben, er sei deshalb so gern in Bayern, da er dann einerseits nicht mehr in Österreich, andererseits aber noch nicht in Deutschland sei). Zum Thema aus einer nicht ganz taufrischen Duden-Grammatik (1966):
Der Unterschied zwischen der Perfektumschreibung mit "haben" und der mit "sein" (im Aktiv) haben Die
transitiven Verben bilden ihr Perfekt im Aktiv mit "haben":
Ich habe [den Wagen] gefahren. Er hat {den Schiller] gelobtDie
reflexiven Verben bilden ihr Perfekt ebenfells mit "haben", gleich,
ob sie transitiv oder intransitiv sind.
Er hat sich geschämt. Ich habe mich beeilt. Du hast dich verletzt. Diejenigen
intransitiven Verben, die ein Geschehen in einem unvollendeten Verlauf,
in seiner
Dauer ausdrücken, bilden ihr Perfekt ebenfalls mit "haben“:
Wir haben gut geschlafcn. Die Rose hat nur sehr kurz geblüht. sein Diejenigen
intransitiven Verben, die eine Zustands- oder Orts
veränderung, einen
neuen, erreichten Stand bezeichnen, bilden ihr Perfekt mit "sein":
Die Rose ist verblüht. Er ist angekommen. Schwankungen treten nur bei der Perfektumschreibuug der
intransitiven Verben auf,
und zwar deshalb, weil über die Zuordnung eines Verbs
zu einer dieser beiden letzten Gruppen Unsicherheit besteht oder
weil sich die Auffassung der Sprachgemeinschaft über die Zugehörigkeit zu
einer dieser beiden Gruppen ändert.
Unsicherheit tritt. z. B. ein, wenn das Verb eine
allmähliche Veränderung bezeichnet:
Nach dem Regen hat/ist es schnell wieder abgetrocknet. Es hat/ist schnell gealtert.
Der Wein ist/hat gegoren. Ein Beispiel für den Wechsel in der Auffassung der Sprachgemeinschaft
ist der unterschiedliche Gebraueh von "haben“ und "sein" bei den
Verben „sitzen, liegen, stehen“ im Norden und im Süden des deutschen Sprachgebietes. Im Norden sagt man:
Ich habe gelegen, gestanden. Er hatte auf einem Krautfass gesessen (Th. Plivier).
Im Süden heißt es:
Ich bin gelegen, gestanden. Mit diesem Brief in der Hand war Georg lange … an
seinem Schreibtisch gesessen {Kafka).
Die Konjugation mit "sein" ist in diesen Fällen die sprachgeschichtlich ältere,
die mit "haben" die zur Zeit hochsprachliche.
Verschiedene Sehweise ist immer möglich bei den Verben der Bewegung
tanzen, reiten, segeln, paddeln, fahren, fliegen, bummeln, flattem, rudern, treten u.a.
Sieht der Sprecher den
Vorgang, die Dauer in der Bewegung, dann steht
des Verb im Perfekt mit
,,haben": Ich habe als junger Mensch viel getanzt. Er hat den ganzen Vormittag gepaddelt/ gesegelt. Sieht der Sprecher dagegen eine
Veränderung in der Bewegung, eine
Ortsveränderung, dann steht das Verb im Perfekt mit
,,sein":
Das Mädchen ist aus der Stube getanzt. Ich bin über den See gepaddelt/gesegelt . Der Gebrauch von "sein" nimmt bei den Bewegungsverben immer mehr zu,weil die Veränderung in der Bewegung, die Ortsveränderung stärker als die Dauer in der Bewegung empfunden wird und weil überhaupt die Neigung besteht, einige Bewegungsverben nur mit "sein" zu umschreiben, auch wenn keine Ortsveränderung ausgedrückt werden soll:
Wir sind den ganzen Tag geschwommen, geklettert, galoppiert u. a.,
statt:
Wir haben den ganzen Tag geschwommen, geklettert, galoppiert u. a.
Diese Entwicklung hängt zum Teil mit
Bedeutungsdifferenzierungenzusammen.
Bei "fahren“ und "fliegen" stellt sich bei der Perfektumschreibung mit
"sein" die Nebenvorstellung ein, dass der Betreffende als Fahrgast gefahren ist bzw. als Fluggast geflogen ist.
Bei der Perfektumsehreibung mit "haben" stellt sich dagegen die Nebenvorstellung ein,
dass der Betreffende als Fahrer bzw. als Pilot um Steuer gesessen hat.
Das Verb "bummeln" im Sinne von "langsam, ziellos spazierengehen"
wird heute im Perfekt auch schon mit "sein" umschrieben, wenn keine
Ortsveränderung empfunden wird. Dadurch wird eine Verwechslung mit
"bummeln" im Sinne von "trödeln, langsam arbeiten" vermieden, das im
Perfekt nur mit "haben" umschrieben wird. Das Perfekt von "gehen"
und "reisen" wird heute nur mit "sein“ umschrieben. Auch bei
"laufen" und "springen" besteht die Neigung, das Perfekt nur noch mit
"sein" zu umschreiben.
Die Verben "sein“ und "bleiben“, die ausgesprochene Zustandsverben sind,
d. h. die Dauer eines Verhaltens kennzeichnen, werden seltsamerweise nicht mit "haben“, sondern mit "sein" umschrieben:
Ich bin schon in Amerika gewesen. Wir sind in Berlin gewesen. Sie ist lange bei mir
geblieben. _________________________________________________
Auch in der in der DDR erschienenen vorzüglichen zweibändigen „Kleinen Enzyklopädie. Die deutsche Sprache“ (VEB Bibliographisches Institut Leipzig 1969-1970)wird das norddeutsche „haben“ als hochsprachlich bezeichnet: „Norddeutscher und süddeutscher Sprachgebrauch unterscheiden sich in der Auffassung der Zustandsverben. Norddeutsch (und hochsprachlich):
man hat gelegen/gesessen/gestanden. Süddeutsch:
man ist
gelegen/gesessen/gestanden.“ ( Bd. 2, S. 847 f.) Dazu wird der aus Würzburg stammende pazifistische Dichter Leonhard Fank zitiert:
„Ja, also, wir warn halt droben in unserm Festungsgraben um unser Lagerfeuer herumgesessen“ (S. 848 f.)
Koschutnig 12.09.2012
Ich bin/habe gestanden
Einst habe ich eine Stuttgarterin, deren Mutter aus dem Norden stammt, darauf angesprochen.Als "Oberdeutsche" sagte sie selbstverständlich: "Ich
bin den ganzen Weg im Bus gestanden".Auf die Frage, wie sie diesen Umstand ihrer Mutter berichten würde, antwortete sie nach einiger Überlegung offenbar recht überrascht:"Ja, da würde ich tatsächlich sagen: Ich
habe ... gestanden."Der im Süden eindeutige Bedeutungsunterschied zwischen dem Perfekt von "stehen" (gestanden sein) und dem von "gestehen" (gestanden haben) muss sich im Norden also erst aus dem Zusammenhang ergeben. "Er hat gesessen" ist im Norden ebenfalls zweideutig; im Süden ist hingegen ist "er ist gesessen" zweideutig, weshalb bedeutungsdifferenzierend die Vgh. mit "haben" (
er håt g'sessn) ugs. für den Häfenaufenthalt immer häufiger verwendet wird. Auch die Wendung "Das
hat g'sessen" ist ob ihrer differenzierenden Spezialbedeutung in unseren Sprachgebrauch aufgenommen worden.
Koschutnig 12.09.2012
Dann erkläre ich halt
Österreich zum Asylland für alle Sprachflüchtlinge, denen wehtut, dass "das norddeutsche „haben“ als hochsprachlich bezeichnet" wird.
JoDo 12.09.2012
In der Österreichischen Hochsprache..
heißt es NATÜRLICH (der Natur der Sache nach) ich bin gesessen etc.
klaser 14.09.2012
klaser 14.09.2012